Heute zeige ich euch, wie man Wutanfälle bei Kleinkindern ganz leicht selber machen kann. Die meisten Heul- und Kreischanfälle sind nämlich hausgemacht – und das ganz ohne besonderes Rezept. Warum ich darüber schreibe? Heute war wieder so ein Tag, an dem wirklich ALLES irgendwo runterfällt, beide Kinder parallel schreien und einfach an jeder noch so kleinen Kante ein riesen Aua inklusive Geheule entsteht. Das Einzige was am Ende des Tages dann aber wirklich weh tut ist, wenn man sein Kind vor lauter Stress eigentlich ungewollt angemeckert hat und das Ganze mal wieder in einen riesen Streit ausgeartet ist. Dabei will man ja gar nicht streiten. Man will doch am liebsten, dass alles harmonisch ist – fast ein bisschen wie im Bilderbuch oder in dieser perfekten Kinderserie über das kleine Mädchen mit der roten Schleife im Haar, die einfach immer lieb ist und jeden Tag tolle Abenteuer mit ihrer Familie erlebt. Eigentlich müsste man diese Sendung mal neu vertonen, um ihr mehr Authentizität zu verpassen. Das wär ein Spaß!!!
Meine Große ist jedenfalls alles andere als einfach und umgänglich. Schon als Baby durfte ich sie nicht in eine Wiege legen. Die Flasche wurde angebrüllt und wenn man sich erdreistete nach 40 Minuten schunkeln auf dem Arm langsam in die Sitzposition zu gleiten, wurden die müden Augen direkt wieder aufgerissen und der Sirenenartige Schreiton setzte wieder ein. Das zog sich fort bis ins Trotzalter. Erst letzte Woche haben wir eine halbe Stunde sitzend auf dem Bürgersteig verbracht, weil Gräfin Maritza mit ihren 3 1/2 Jahren nicht mehr laufen, ich sie aber auch nicht tragen wollte – und auch nicht konnte – im Kinderwagen lag schließlich Töchterchen Nr. 2. Der Weg vom Kindergarten nach Hause ist übrigens nicht länger als 100 Meter. Auch ihr bester Freund wurde geärgert, wo es nur geht. “Du darfst hier nicht rein!”, “Geh weg!!!”, “Du bist doof!” waren nur einige der Sprüche, die der treue Begleiter meiner Tochter zu hören bekam, während sie ihn nach Lust und Laune auch gerne mal schubste oder zornig nach ihm haute. Gott, war mir das unangenehm. Als mich dann aber die Mutter des Jungen fragte, ob ich das Verhalten nicht mal abklären lassen wollte, überkam mich ein riesiger Schutzinstinkt. War meine Tochter denn so verkehrt? Das wollte ich nicht wahrhaben, zumal ich dieses ganze Ergo-Therapie-Gedöns eh innerlich belächelte. Trotzdem nagte der gut gemeinte Hinweis an mir und so beschäftigte ich mich mehrere Abende mit dem Thema im Internet. Ich wälzte Bücher und las mich in Foren ein um dann tatsächlich mal etwas ganz Neues auszuprobieren. 100% Verständnis! Bisher hatte ich meine Tochter immer nur dafür gerügt, wenn sie ein Verhalten an den Tag legte, welches meiner Ansicht nach nicht Regelkonform war. Für mich gab es einfach nie einen Grund so sehr auszurasten und daher habe ich ihr bisher auch nie Verständnis entgegen gebracht. Von mir hörte sie nur Sätze wie “Wenn du nicht aufhörst, dann gehen wir eben nach Hause!” oder “Sag mal spinnst du, man haut doch keine anderen Kinder!”
Nicht ein einziges mal habe ich mich in sie hineinversetzt und auch nur versucht zu verstehen, was gerade in ihr vorgeht. Warum eigentlich nicht? Vielleicht weil alle um einen herum von Eltern erwarten, dass sie ihrem Nachwuchs die Werte und Normen der Gesellschaft vermitteln und sich mit einer gewissen Strenge durchzusetzen haben, wenn das Kind nicht direkt spurt. So wie es früher eben war. “Da hatten die Kinder nämlich noch Respekt vor Mama und Papa”. Ich nahm mir vor, mich von den anderen nicht unter Druck setzen zu lassen und einfach mal auf mein Kind zu hören. Einen Versuch war es jedenfalls wert, so dachte ich. Also begann ich den nächsten Tag mit einer Extraportion Verständnis. Das liebe Kind wachte auf, wackelte zum Frühstückstisch und fing direkt an, hysterisch rumzukreischen. Statt jetzt sofort wieder zu schimpfen, fragte ich ganz ruhig, was denn nicht stimme. Mein Kind kreischte noch lauter und man verstand kein einziges Wort. Ich blieb ruhig und fing an zu raten: “Wolltest du ein großes Messer haben?”, “Möchtest du keine Milch trinken?”, “Ist der Teller falsch?” und jedes Mal, wenn ich falsch geraten habe, kreischte meine Tochter noch lauter. Es war tatsächlich kurz vorm totalen Wutanfall. Eine Szene, in der ich sie meistens wütend in ihr Zimmer geschickt hätte. Aber ich blieb ruhig. “Wolltest du dein Brötchen selbst aus der Tüte holen?” Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, fiel die ganze Anspannung von meiner Tochter ab. “Jaaaa!” entgegnete sie mir traurig und schuchzend aber überaus erleichtert, dass jemand sie verstanden hatte. Ich tröstete sie und erklärte ihr, dass das alles gar kein Problem sei und sie mir immer sagen kann, wenn sie was stört und meistens lässt sich das Problem dann ja auch lösen. Der Wutanfall blieb aus und der Morgen war direkt etwas entspannter als sonst. Am Nachmittag spielten sie und ihr bester Freund zusammen auf einem Klettergerüst. Plötzlich hörte ich sie kreischen und blickte zur Hängebrücke. In dem Moment holte sie aus und haute ihren Freund auf den Arm. An jedem anderen Tag wäre ich hingerannt und hätte sie beiseite genommen, um mit ihr zu schimpfen – aber diesmal ging ich ganz besorgt zu ihr hin, nahm sie auf den Arm und fragte sie, was denn los sei. Ob sie sauer wäre? Ob der Junge irgendwas gemacht hätte, was sie nicht wollte? Und siehe da, meine kleine Große erzählte mir tatsächlich, was sie bedrückte. “Ich wollte zuerst!”. Zum ersten Mal konnte sie sagen, warum sie so wütend war und rastete nicht gleich aus. Ich setzte mich mit ihr hin und tröstete sie, anstatt mit ihr zu schimpfen wie sonst immer. Nach 2 Minuten war alles wieder ok und sie entschuldigte sich sogar bei ihrem Kumpel.
Was ich daraus gelernt habe? Manchmal erwarten wir einfach viel zu viel von unseren Kleinen. Wir messen sie an unseren eigenen Verhaltensweisen und ärgern uns, wenn sie sich noch nicht dementsprechend verhalten. Und während wir versuchen die ganzen Regeln in sie “reinzuerziehen”, vergessen wir ganz, ihnen einmal zuzuhören. Manchmal fühlen sich unsere Kinder einfach nur missverstanden und daraus resutiert dann ein gewaltiger Wutanfall.
Ok, das soll jetzt allerdings nicht heißen, das man ab sofort alles durchgehen lassen muss und die kleinen Monster sich alles erlauben dürfen. Nur kann man es ihnen viel einfacher erklären, wenn sie das Gefühl haben, dass Mama und Papa ihre Ängste und Sorgen verstehen. Erst dann öffnet sich die Schranke in ihrem Gehirn, die zulässt, sich mit dem eigentlichen Konflikt auseinanderzusetzen. Und erst dann löst auch ein “Nein” nicht direkt einen Wutanfall aus.
Jetzt denkt aber bitte bloß nicht, dass ich es schaffe, jeden Tag die perfekt einfühlsame Mutter zu sein. Natürlich gibt es auch Phasen, da ertappe ich mich immernoch bei “Wenn du jetzt nicht sofort aus der Badewanne kommst, dann kommen die Badetiere alle in den Müll!”. Das ist pure Erpressung, sagt ihr jetzt bestimmt! Richtig! Funktioniert manchmal aber eben auch ganz gut. Heute war jedenfalls wieder so ein Tag, an dem ich kurz davor war, mein Kind so richtig anzumotzen, weil die kleine Rotzgöre meine Geduld mal wieder bis aufs Äußerste gereizt hat. Stattdessen hab ich mir die längste Praline der Welt geschnappt, tief eingeatmet und bin ruhig und verständnisvoll geblieben. Dafür durfte ich beim ins Bett bringen dann sogar hören: “Mama, ich hab dich sooo lieb!”
Eine verständnisvolle Woche wünscht euch,
eure mimymama